AOG in den Medien
Fachfrauen aus 27 Ländern
VEREINT IM VEREIN: Die "Anwältinnen ohne Grenzen" kämpfen weltweit für Gleichberechtigung.
WIEHRE. Sie hoffen, dass die eher provisorischen Zeiten bald vorbei sind: Bisher treffen sich die "Anwältinnen ohne Grenzen" in einem kleinen Büro des Hauses in der Wiehre, in dem die Vereinsgründerin Jasmina Prpic wohnt. Um effektiver arbeiten zu können, bräuchten sie ein "offizielles" Büro und finanzielle Unterstützung – darum haben sie für 2015 nach sieben Jahren reinem Ehrenamt erstmals einen städtischen Zuschuss beantragt. Ihr Anliegen: Zum Grundrecht der Gleichberechtigung von Frauen und Männern beitragen. Weltweit und in Freiburg.
Morgen werden sie sieben Jahre alt – und sie werden immer mehr und immer internationaler: Die derzeit 55 "Anwältinnen ohne Grenzen", die allesamt Juristinnen sind – und das für eine aktive
Mitgliedschaft auch sein müssen – stammen aus 27 verschiedenen Ländern. Geballte Kompetenz unter anderem aus Brasilien, Rumänien, Indien, Ägypten, Argentinien, Frankreich, der Schweiz.
Einige von ihnen sind auch selbst geprägt von vielfältigen Einflüssen: So wie Siba Irsheid (40), die als Palästinenserin in Spanien aufwuchs, dort in eine englische Schule ging und Ende 2009 mit
ihrem Mann und drei Kindern nach Freiburg zog. Sie hat in Spanien Jura studiert, zurzeit arbeitet sie noch ehrenamtlich für eine spanische Kanzlei, will sich aber langfristig in Deutschland
etablieren. Bei einer Tagung des Vereins zum Arabischen Frühling war sie die Projektleiterin. Sie spricht sechs Sprachen, genau wie Svenja Bonnecke (24), die in Freiburg Jura studiert und längere
Zeit in Chile gearbeitet hat. Svenja Bonnecke ist die "Chile-Zuständige" und Ansprechpartnerin für den dort geplanten Kongress. Erstmal aber soll eine Balkan-Konferenz kommen, im Herbst 2015, auf
neutralem Boden in Freiburg – 20 Jahre nach den Massenvergewaltigungen in Srebrenica.
Natürlich ist Jasmina Prpic (60) die Balkan-Beauftragte, 1992 war sie mit ihrem Mann und zwei Töchtern aus Banja Luka geflohen, davor hatte sie als Richterin und Anwältin gearbeitet, seit sieben Jahren steckt sie viel Zeit, Kompetenz und Energie in den Verein. Denn die "Anwältinnen ohne Grenzen" haben auch neben der Organisation ihrer internationalen Tagungen viele Schwerpunkte, von denen sich etliche direkt auf Freiburg beziehen: Sie wollen so viel wie möglich informieren – speziell Migrantinnen. Täglich kommen Anfragen bei Jasmina Prpic an, dann werden die Ratsuchenden meist an spezialisierte Kolleginnen weitervermittelt. Sie würden gern mit eigenen Verfahren Präzedenzfälle schaffen – in der Verteidigung eines Deutschen, der für seine Frau aus dem Ausland kein Visum bekam, blieben sie wegen Finanzierungsproblemen stecken.
Um möglichst viele zu erreichen, werden Veranstaltungen organisiert, bisher unter anderem zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse, zu Familienzusammenführungen und kürzlich über die Änderungen der Asylsituation für Flüchtlinge aus den vermeintlich "sicheren Herkunftsstaaten" Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina. Auch bei den Aktionstagen "Nein zur Gewalt gegen Frauen" sind die "Anwältinnen ohne Grenzen" demnächst dabei, mit einem Vortrag am 25. November über einen Vergleich der Gewalt in Partnerschaften in Deutschland und der Dominikanischen Republik. Häusliche Gewalt ist einer der Schwerpunkte von Regina Schaaber (64), die als Anwältin seit mehr als 35 Jahren auf Familienrecht spezialisiert ist.
Längst haben sich die "Anwältinnen ohne Grenzen" einen Namen gemacht, 2012 wurde Jasmina Prpic als "Frau Europas 2012" ausgezeichnet, 2013 erhielten sie, Regina Schaaber und Siba Irsheid den Maria-Otto-Preis vom Deutschen Anwaltverein. Doch die bisher ausschließlich ehrenamtliche Arbeit zehrt an ihnen, die anstehenden großen internationalen Kongresse lassen sich so kaum bewältigen. Darum hoffen sie auf Unterstützung.
ANWÄLTINNEN OHNE GRENZEN
Gegründet: 6. November 2007.
Mitglieder: 55.
Angebot: Infos über und Veranstaltungen zu Frauenrechten, Austausch, Schaffen von Präzedenzfällen,...
Mitgliedsbeitrag: 30 Euro/Jahr, für Studierende 15 Euro. Fördermitgliedschaft für Männer und Nicht-Juristinnen 60 Euro/Jahr.
Kontakt: http://www.anwaeltinnen-ohne-grenzen.de Tel. 0761/80520.
GASTBEITRAG
Frauenquote - kein Untergang des Abendlandes
Die Anwältin Barbara Mayer hält die Kritik an der Frauenquote für Aufsichtsräte von Unternehmen für überzogen. Ein Gastbeitrag.
Vorab vielleicht eines: Die Ergebnisse, die im Rahmen der Verhandlungen über eine Große Koalition bislang erreicht oder absehbar sind, halte ich in vielen Punkten für falsch. Wir würden damit künftige Generationen belasten. In einem Punkt gehen die Verhandlungen aber in die richtige Richtung: bei der Einführung einer Frauenquote für die Aufsichtsräte von großen Unternehmen. Anders als weite Kreise der Wirtschaft glauben machen, wird diese Quote nicht zum Untergang des Abendlands führen – ganz im Gegenteil.
Der Männeranteil bei Aufsichtsrats- und Vorstandsposten der rund 1000 börsennotierten Unternehmen in Deutschland liegt bei 89,9 Prozent. Der Männeranteil in den Aufsichtsräten der 160 wichtigsten börsennotierten Unternehmen liegt bei 83,8 Prozent. Angesichts der Tatsache, dass Frauen seit Jahren mehr als 50 Prozent der Abiturienten und Studierenden in Deutschland stellen, ist dieser Zustand für ein entwickeltes Land wie die Bundesrepublik beschämend. Es ist ökonomisch unsinnig, die auf Kosten der Allgemeinheit gut ausgebildete Hälfte der Bevölkerung nicht in wichtige Funktionen einzubeziehen, sondern ihre Kompetenz brach liegen zu lassen.
Das möchte der Gesetzgeber ändern. Er hat Grund dazu: Artikel 3 Abs. 2 Satz 2 unseres Grundgesetzes lautet: "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin." Eine gesetzliche Frauenquote bei moderaten 30 Prozent und einer angemessenen Vorlaufzeit ist ein geeignetes Mittel, um dieses Ziel zu erreichen.
Die Erhöhung des Frauenanteils in der Unternehmensführung ist auch ökonomisch vernünftig: Unternehmen, bei denen es einen überdurchschnittlichen Frauenanteil in der Führung gibt, sind erfolgreicher als andere Unternehmen. Das hat beispielsweise eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey ergeben, die eher nicht dem feministischen Lager zuzurechnen ist. Und McKinsey hält die Verbindung zwischen Frauenanteil und Erfolg nicht für Zufall.
Unternimmt der Gesetzgeber nichts, würde es noch Jahrzehnte dauern, bis Frauen in den Führungsetagen der deutschen Unternehmen wirklich angekommen sind. Das liegt nicht daran, dass Frauen bewusst ausgeschlossen würden. Es liegt eher an dem Spiegeleffekt: Wir alle – Männer genauso wie Frauen – neigen dazu, Menschen zu bevorzugen, die uns selbst ähnlich sind – auch wenn wir glauben, gerecht abzuwägen. Dieses Phänomen ist die Hauptursache dafür, dass sich der Anteil von Frauen in den Führungsetagen der Unternehmen nur sehr langsam erhöht.
Der Gesetzgeber hat viel Geduld mit den Unternehmen bewiesen. 2001 haben die Spitzenverbände der Wirtschaft eine Vereinbarung mit der Bundesregierung getroffen und sich verpflichtet, die Chancengleichheit von Männern und Frauen in den Unternehmen zu verbessern. Im Gegenzug hat Berlin darauf verzichtet, eine Frauenförderung per Gesetz zu betreiben. Faktisch hat sich seither wenig geändert.
Es gibt auch genügend Frauen, die für eine Aufsichtsratsposition geeignet sind. Ein guter Aufsichtsrat muss kritisch zuhören können, nachfragen, Ideen entwickeln. Dafür eignen sich nicht (nur) Vorstände großer Unternehmen, sondern genauso in der jeweiligen Branche erfahrene Expertinnen. Frauen müssen auch nicht Ingenieure und Naturwissenschaftler sein, um als Aufsichtsräte in Betracht zu kommen. Bisher sind die Aufsichtsratsmitglieder deutscher Großunternehmen größtenteils Wirtschaftswissenschaftler und Juristen: bei den Dax-, Mdax- und Sdax-Unternehmen sind die Ökonomen mit 41 Prozent und die Juristen mit 18 Prozent vertreten. Mit Abstand folgen Ingenieure (sieben Prozent) und Naturwissenschaftler (sechs Prozent). Gerhard Cromme, Siemens-Aufsichtsratschef, hat beispielsweise Jura und Volkswirtschaft studiert. Bei Männern scheint ein Ingenieurstudium also nicht nötig zu sein. Dann dürfte das auch für Frauen gelten.
Eine Quote führt auch nicht zwangsläufig dazu, dass ungeeignete Frauen in die Aufsichtsräte bestellt werden müssten – nur weil sie eine Frau sind. Entscheidend ist, dass die Aufsichtsräte klare Anforderungsprofile definieren und die offenen Posten – bis zum Erreichen der gesetzlichen Quote – dann mit einer Frau besetzen, wenn diese Frau die Kriterien erfüllt und mindestens ebenso geeignet ist wie ihre männlichen Mitbewerber.
– Barbara Mayer ist Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht bei Friedrich Graf von Westphalen & Partner in Freiburg.
Jasmina Prpic:
"Frau Europas"
Freiburger Juristin ausgewählt.
Die "Frau Europas 2012" lebt in Freiburg: Die Juristin Jasmina Prpic, 1954 in Banja Luka geboren, ist Preisträgerin der fünfköpfigen Jury vom Netzwerk "Europäische Bewegung Deutschland". Seit 1991 zeichnet das Bündnis von 226 Organisationen aus Bildung, Wirtschaft und Politik symbolisch Frauen aus, die "mutig, kreativ, hartnäckig" und ehrenamtlich für ein vereintes Europa kämpfen.
Bei Jasmina Prpic hat die Jury, die sechs vorgeschlagene Kandidatinnen zur Auswahl hatte, nicht nur ihr langjähriges Engagement als Frauenrechtlerin beeindruckt – Jasmina Prpic gründete unter anderem
2007 den Verein "Anwältinnen ohne Grenzen" mit. Überzeugend wirkte auch, dass ihre eigene Geschichte sie motiviert hat, andere zu unterstützen. Mitten in ihrer Karriere als Richterin schwenkte
Jasmina Prpic nach Beginn des Bosnien-Krieges zunächst auf die Arbeit als Anwältin um, 1992 folgte sie mit den zwei Töchtern ihrem Mann, der vor dem Kriegsdienst nach Deutschland geflohen war. Im
Kosovo hat Jasmina Prpic für die Organisation "Medico mondiale" Opfer sexualisierter Gewalt vor dem Haager Kriegsverbrechertribunal begleitet, sie kämpft mit Überzeugung für Frauenrechte. Weil ihre
Ausbildung in Deutschland nicht anerkannt wurde, tat sie das lange überwiegend ehrenamtlich. anb
Austausch über alle Grenzen hinweg
14 Juristinnen haben einen Verein gegründet, um Frauen weltweit zu ihren Rechten zu verhelfen
Von unserer Mitarbeiterin Anja Bochtler
Die Idee hatte Jasmina Prpic, Anwältin und 1992 als Bosnierin aus Banja Luka geflohen, schon lange. Bei einer Konferenz in Albanien vor fünf Jahren beschloss sie, den Verein "Anwältinnen ohne
Grenzen" zu gründen. Jetzt gibt es ihn. Bisher haben sich 14 Frauen zusammengetan, die alle eines gemeinsam haben: Sie sind Juristinnen, aber nicht zwingend Anwältinnen. Auch sonst sind die
Hintergründe bunt gemischt: Claudia Vogel hat sich als Anwältin auf Ausländerrecht spezialisiert. Brigitta Schwenneker ist Juristin beim Studentenwerk und schreibt für einen juristischen Verlag.
Jasmina Prpic arbeitet als Rechtsbeistand und Dolmetscherin und engagiert sich unter anderem beim Migrantinnen- und Migrantenbeirat. Eliko Ciklauri-Lamichist ist geborene Georgierin, lebte später in
Moskau und schreibt seit 16 Jahren in Freiburg für wissenschaftliche Zeitschriften über die Rechtsentwicklung in den GUS-Ländern.
Als damals bei der Konferenz in Albanien alles anfing, stieß Jasmina Prpic wieder einmal auf die typischen Probleme der Frauen dort: Auf dem Papier haben sie alle Rechte. Doch einfordern können sie
die nicht. Zum Beispiel, wenn es nach einer Scheidung um die Trennung des Vermögens geht: "Dann werden die Männer gewalttätig und werfen die Frauen einfach aus der Wohnung." Wie lässt sich das
ändern? Die albanischen Frauen sollten sich über das Familienrecht in anderen Ländern informieren können, findet Jasmina Prpic — in Workshops mit Expertinnen aus Deutschland. Genau wie die Frauen aus
dem Iran, mit denen sie vor einem Jahr durch die Menschenrechtskommission des Anwaltvereins in Kontakt kam.
Aber auch deutsche Frauen, die sich zu einer binationalen Ehe entschließen, sollten sich einfacher über das Familienrecht des jeweiligen Landes informieren können. Und Anwältinnen in Georgien könnten
Hilfe brauchen, wenn sie wegen der staatlichen Zensur nicht alle ihre Mandanten tatsächlich vertreten können oder etwas gegen vermutete Wahlfälschungen tun wollen, sagt Eliko Ciklauri-Lamich.
Kürzlich hat sie die "Anwältinnen ohne Grenzen" in Georgien vorgestellt — und ist sofort auf Kolleginnen gestoßen, die mitarbeiten wollen.
Genau so soll es laufen, wenn es nach den Freiburgerinnen geht. Viele Kontakte, Austausch über alle Grenzen hinweg und vor allem: Sie wollen das UN-"Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von
Diskriminierung der Frau" (CEDAW, Abkürzung nach der englischen Bezeichnung) bekannt machen, das 185 Länder unterzeichnet haben. 90 dieser Länder haben sich zudem in einem Zusatzprotokoll
verpflichtet, jährlich Berichte über die Situation von Frauen für einen UN-Ausschuss zu schreiben — gleichzeitig können
Nichtregierungsorganisationen so genannte "Schattenberichte" aus ihrer Sicht verfassen und einzelne Frauen können Rechtsverletzungen mitteilen. Diese Möglichkeiten müssen sich breit herumsprechen, wünscht sich Jasmina Prpic. Dafür brauchen die Juristinnen viele Mitstreiterinnen und Mitstreiter — denn Männer sind ausdrücklich erwünscht, allerdings nur als Fördermitglieder. Auch Frauen können in der Regel nur dann "richtige" Mitglieder werden, wenn sie Juristinnen sind.